Folgender Artikel wurde vom Antifa-Infoblatt übernommen. (Link zum Original Artikel)
Die Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth zählt zum äußersten rechten Rand des Korporationsspektrums. Man pflegt den in neurechten Kreisen beliebten Habitus des konservativen Rebellen: Vermeintlich mutig streitend gegen alles Zeitgeistige und umzingelt von Feind_innen und Tabus, tatsächlich aber nur Vertretung einer zugespitzten Mainstreammeinung, bestehend aus Elitedünkel, Nationalismus, Sexismus und Sozialchauvinismus – kurz Antiegalitarismus.
Die Thessalen sind in der Deutschen Burschenschaft (DB) und dessen völkisch-nationalistischen Kern der Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG), deren Gründungsmitglied sie war, organisiert. Innerhalb der DB ist sie maßgeblich für den Rechtsruck verantwortlich. 2008/09 etwa saß sie der BG vor und der rassistische Antrag (sog. „Ariernachweis“), 2011 eingebracht von der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn, wurde in einer verbandsinternen Debatte von den Bayreuthern diskursiv vorbereitet. Im Vorjahr der Antragstellung hielt der Thessale Andreas Wölfel bei den Raczeks einen Vortrag zum volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff. In der Verbandszeitschrift äußerte sich die Aktivitas der Thessalia etwa zeitgleich zum Thema, das im Verbindungswesen zwar eine wichtige Rolle spielt, aber eben nicht unumstritten ist. Die vertretene Position ist nicht nur kultur-rassistisch, sondern biologistisch – es ist ein Rassismus des 19. Jahrhunderts. So weise eine “nicht-europäische Gesichts- und Körpermorphologie” (auch die selbe Formulierung der Raczeks) darauf hin, nicht zur „Schicksalsgemeinschaft“ der Deutschen zu gehören. “Es dürfte jedem deutschen Burschenschafter klar sein, dass das Vaterland von Afrikanern und Asiaten nicht zwischen Maas und Memel beziehungsweise zwischen Etsch und Belt liegt!”1. Auf ihrer Homepage werden sie nicht so deutlich, dort heißt es lediglich, es sei „selbstverständlich, daß nur Thessale werden kann, wer deutscher Herkunft ist, egal welchen Paß er trägt“.
Die Verbindungen ins neonazistische Milieu bleiben aber nicht allein auf der Diskursebene, es gibt auch personelle Überschneidungen. Jürgen Schwab beispielsweise war bis 2002 Thessale, gleichzeitig war er Mitglied der rechten Partei “Die Republikaner” und später der neonazistischen NPD. Der Germanist war für die Pressearbeit der DB zuständig sowie Autor in ultra-rechten Zeitschriften wie “Deutsche Stimme”, “Nation & Europa”, “Die Aula” und “Neue Ordnung”. Ausgeschlossen wurde er schließlich auf Antrag des Leipziger CDU-Politikers Kurt-Ulrich Mayer, der gleichzeitig Alter Herr der Thessalia ist und dem die Personalie zu gefährlich wurde. Nach seinem Ausschluss war Schwab noch im Umfeld der neonazistischen Gruppe “Freies Netz Süd” aktiv, das mittlerweile in die Partei “Der Dritte Weg” aufgegangen ist. 1997, als Schwab also noch Thessale war, beteiligte sich eine Delegation an einem internationalen Treffen von Neonazis und ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS im belgischen Diksmuide, der damals größten Zusammenkunft europäischer Nationalisten. Ein weiterer Neonazi in der Thessalia ist der bereits genannte Andreas Wölfel. Er hat in Bayreuth Jura studiert, ist NPD-Mitglied und als Rechtsanwalt in der Kanzlei von Steffen Hammer (ehem. RechtsRock-Musiker in der Band “Noie Werte”) in Reutlingen beschäftigt.
Einer breiteren Öffentlichkeit begegnete die Verbindung allerdings erst im letzten Herbst als bekannt wurde, dass Mario Brehme jahrelang auf deren Haus wohnte.2 Brehme war seit Mitte der 1990er in der Neonaziszene aufgefallen. Mit den drei späteren NSU-MitgliederInnen und dem Jenaer Neonazis André Kapke besuchte er diverse Neonazi-Demonstrationen. 1998 traf er in Coburg das “Hilfskomitee Südliches Afrika” beim “22. Südafrika-Seminar” und flog mit Kapke nach Südafrika, wo er vermutlich, u.a. bei dem Neonazi-Funktionär Claus Nordbruch nach einem Unterschlupf für das flüchtige NSU-Trio suchte. Brehme war Vize-Chef des Thüringer Heimat Schutzes (THS) und gilt als eine enge Bezugsperson des (späteren) NSU.3 Entsprechend groß war die Aufregung als bekannt wurde, dass Brehme der Thessalia angehört4. Die spannendsten Fragen blieben aber bis heute unbeantwortet. Zum Beispiel wie bzw. ob es Brehme möglich war seine Ausbildung zum Einzelkämpfer bei der Bundeswehr zu absolvieren ohne aufzufallen und wie bzw. ob Thüringer Behörden ihre bayerischen KollegInnen informierten. „(M)ögliche rechtsextreme Verbindungen und Aktivitäten der Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth? (aufgelistet von 1990 bis 2014)“ (aus einer Anfrage derSPD) wurden ebensowenig preisgegeben, wie die Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit eine Burschenschaft in Bayern vom VS überhaupt beobachtet wird. Die Thessalia selbst gibt zum Verbandsbruder Brehme an: „Um weiteren Spekulationen vorzubeugen, stellen wir fest: Mario B. war unter der Anschrift „Wittelsbacherring 16“ in Bayreuth gemeldet. Herr B. war Mitglied der Burschenschaft“5.
Aber nicht nur zu NPD und NSU unterhält die Verbindung Kontakte. Die Thessalia bildet zusammen mit der “Akademischen Burschenschaft Germania zu Graz” und der Wiener “Akademischen Burschenschaft Moldavia” das “Schwarz-Blaue Kartell”. Das Motto der Moldavia, die 2013/14 den Vorsitz des Wiener Korporations Rings inne hatte, lautet „Einig und Frei, Deutsch und Treu!“. Dass man tatsächlich als “ein Bund an drei Hochschulorten“ funktioniert, zeigen zahlreiche Doppelmitgliedschaften, darunter Axel Kassegger, Abgeordneter zum Nationalrat für die rechte FPÖ (Germania und Thessalia) und Wilhelm Figl (Moldavia und Germania), seines Zeichens 2008 Hauptredner beim rechten WKR-Totengedenken am 8. Mai. Eine „Bierwanderung“ des Schwarz-Blauen Kartells mit Kartelltreffen findet übrigens vom 31. Juli – 2. August 2015 in Bayreuth statt.
Zu den farbentragenden Freunden der Thessalia gehören neben den völkischen Verbindungen der BG – die für ihr sehr enges Verhältnis untereinander bekannt sind – auch Korporationen die zunächst unverdächtig erscheinen. Die “Turnerschaft Munichia Bayreuth” beispielsweise ist mit der Thessalia im lokalen Waffenring “Bayreuther-Korporations-Convent” (BKC) organisiert. In Waffenringen werden gemeinsam Mensuren geschlagen, oft auch gemeinsam das Fechten trainiert und selbstverständlich zusammen getrunken. Da man nie gegen Bundesbrüder der eigenen Verbindung antritt, kooperieren in Waffenringen meist auch verschiedene Dachverbände. Über die tatsächliche Praxis der Waffenringe erfährt man nur selten etwas, auch weil es den beteiligten Verbindungen oft unangenehm ist, mit den lokalen Neonaziburschen von der DB gemeinsame Sache zu machen, obwohl man sich doch öffentlich stets um Abgrenzung und Differenzierung bemüht.
Um so erstaunlicher war es, als das Bild einer BKC-Kneipe auf Facebook auftauchte das Thessalen und Munichen beim gemütlichen Bier zeigte. Ein Kommentar darunter lautet: „Heil Kneipe! Heil Thessalia! Heil Munichia!“ Die Munichia ist als Turnerschaft im “Coburger Convent” (CC) organisiert und sitzt diesem im laufenden Geschäftsjahr sogar als Präsidierende vor. Laut ihrem Veranstaltungskalender sind die Munichen noch in diesem Semester mit dem BKC, also (auch) den Thessalen, zum Tontaubenschießen verabredet – was darauf hindeutet, dass man nicht nur eine Zweckbeziehung führt.
Der “Coburger Convent” ist der Dachverband von etwa 100 Landsmannschaften und Turnerschaften und zählt etwa 1.600 Aktive sowie ca. 11.000 Alte Herren. Sein Pfingstkongress ist der größte Kommers im deutschen Korporationswesen zu dem jährlich mehrere Tausend Korporierte pilgern. Vor allem an den Ritualen des Totengedenkens für die gefallenen Bundesbrüder, dem Fackelmarsch und der anschließenden Feierstunde entzündet sich seit Jahrzehnten Kritik. Seit dem Ansehensverlust der DB sieht sich der CC genötigt, die Kritik zu parieren – zumindest die des bürgerlichen Lagers. „Wir haben uns schon immer von Extremismus losgesagt und abgegrenzt.“ Den Coburger Grünen, die es wagten, öffentliche Kritik am CC und dessen unsäglichen Fackelmarsch zu äußern, wirft die Munichia vor, sie sei „nicht in der Lage zu differenzieren“ und unterstelle einen „Hang zum Rechtsextremen“. Dies ist natürlich völlig ausgeschlossen, denn „(w)ir, der Coburger Convent, sind die bürgerliche Mitte, sind das Bollwerk gegen die Glatzen und die leeren Köpfe des Faschismus und gegen jede andere Form des Extremismus“6. Was die Munichia und der CC unter „Extremismus“ verstehen, wird in dem Schreiben ebenfalls deutlich: Dort geht es ausführlich um antifaschistische Proteste, Farbbeutelwürfe gegen Verbindungshäuser und die RAF, die 1985 den Rüstungsunternehmer und Munichen Ernst Zimmermann erschoss. „Rechte Extremisten“ kommen gar nicht vor, obwohl der neonazistische “Fränkische Heimatschutz” jedes Jahr den Fackelmarsch besucht und sich an den Bildern berauscht – die vor allem eine Assoziation zulassen, nämlich Bücherverbrennung – und mit den Korporierten das Deutschlandlied singt. Burschenschafter der DB, die stets vor Ort sind, werden ebenfalls nicht thematisiert. Warum nur? Im CC tobt seit Jahren ein Flügelkampf zwischen Deutsch-Nationalen und Konservativen. Anders als in der DB ist nicht klar zu sagen, wer welchem Flügel zuzuordnen ist oder ob der Riss zwischen Bünden bzw. auch durch diese hindurch verläuft. Aber sobald sich jemand gegen extreme Rechte positioniert oder von der DB abgrenzt, hagelt es interne Kritik. Von der “Munichia Bayreuth”, als aktueller Präsidierender sind sicher keine weitergehenden Distanzierungen zu erwarten. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass ihre Neonazi-Freunde von der Thessalia in Coburg, wo auch das Hilfskomitee Südliches Afrika seinen Sitz hatte, zu Gast sein werden. Im NSU-Untersuchungsausschuss sagte Mario Melzer vom LKA Thüringen aus, dass „Südafrikaner-Treffen“ in Coburg stattgefunden haben. Er bezog sich dabei auch auf Treffen von Verbindungsstudenten in der Stadt7.
In Bayreuth ist mittlerweile fast allen klar, dass die Thessalia ein Problem darstellt. Sie wurde per Stadtratsbeschluss vom öffentlichen Volkstrauertag ausgeschlossen und das Studierendenparlament versucht sie aus Universitätsveranstaltungen rauszudrängen. Die “Turnerschaft Munichia” und ihr Dachverband der CC werden hingegen nicht problematisiert, obwohl sie enge Verbindungen zu den absoluten Rechtsauslegern der DB pflegen.