Selbstverständnis

Disclaimer

Das vorliegende Dokument wurde in mehreren Sitzungen von mehreren Genoss*innen bearbeitet, besprochen und abgestimmt. Der SDS Bayreuth gibt sich mit diesem Selbstverständnis eine gemeinsame Grundlage, auf der wir unsere politische Arbeit aufbauen möchten. Dieses Selbstverständnis hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit und wird durch künftige Veröffentlichungen von Positionspapieren, Flyern, Reden, etc. ergänzt und überarbeitet.

Triggerwarnung: Sozialdemokrat*innen, Kapitalist*innen und Bürgerliche können in ihrem Weltbild erschüttert werden.

„Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund aus erfolgen.

Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein.“

– CDU: Ahlener Programm 1947

Abgrenzung und Strategie

Der SDS Bayreuth versteht sich als parteiunabhängige gesamtgesellschaftspolitische Gruppierung linksradikaler Ausrichtung. Wir streben nach einem freiheitlichen Kommunismus. Der Name „Sozialistischer Demokratischer Studierendenverband Bayreuth“ mag irreführend bzw. ausgrenzend klingen, wird aber beibehalten, da die Gründer der Bayreuther Ortsgruppe Studierende waren. Der SDS Bayreuth hat den Anspruch eine autonome Gruppe zu sein, die in ihren Themen und Mitgliedern möglichst einen Querschnitt der Gesellschaft abbildet. Wir betrachten den Weg der Teilnahme am parlamentarischen System als Weg in die Sackgasse. Die Geschichte hat gezeigt, dass dieser Weg keine Veränderung herbeiführen kann. Selbst die Menschen, die mit den besten Absichten diesen Weg gegangen sind, wurden mit ihren guten Vorsätzen von den Mühlen des Systems zermahlen, bis sie selbst Teil des bürokratischen Verwaltungsapparates wurden. Der Weg über die Parlamente kann niemals zu einer Veränderung des Systems führen. Dies wäre in etwa so, wie zu versuchen einen Schleifstein mit einem Messer zu schärfen. Stattdessen wollen wir mit Basisgruppenaufbau, gewerkschaftlicher Arbeit, zivilen Ungehorsam und Besetzungen darauf hinarbeiten das derzeit vorherrschende System mit Generalstreik zu stürzen. 

Ziel des Generalstreiks soll die Enteignung und Vergesellschaftung der Produktionsmittel sein und die Errichtung einer rätedemokratisch organisierten Diktatur des Proletariats. Wenn die Kapitalist*innen sich erdreisten sollten, sich dagegen zu wehren, müssen sie mit unserem Widerstand rechnen.

Ökonomie

 Wir lehnen das Recht auf Eigentum an Produktionsmitteln entschieden ab. Eigentum an Produktionsmitteln ist Diebstahl an der Allgemeinheit. Stattdessen streben wir die Vergesellschaftung aller wirtschaftlichen Betriebe und die Demokratisierung der gesamten Produktion an. Oberstes Ziel dabei ist das Verbot von Lohnarbeit, da Arbeitende durch das Einbehalten des erwirtschafteten Mehrwerts, vonseiten der Kapitalist*innen permanent ausgebeutet werden. Durch die Vergesellschaftung der Betriebe wird das Eigentum an Firmenbesitz, welches vorher den Kapitalist*innen gehört hat, den arbeitenden Menschen zugestanden, die tatsächlich auch die Firma betreiben und die Produkte erschaffen. Durch die demokratische Organisierung dieser vergesellschafteten Produktion wird die Wirtschaft dem Wettbewerbszwang des Marktes entrissen; kapitalistische Ausbeutung, Über- und umweltschädliche Produktion vermieden. Grundbedürfnisse, wie Wasser, Nahrung, Wohnraum, Infrastruktur, Gesundheit, Energie, etc. dürfen sich nicht in den Händen weniger befinden. Sie müssen durch Vergesellschaftung Allgemeingüter werden. 

Staat und Faschismus

Des Weiteren möchten wir uns von Anhänger*innen nationalstaatlicher Konstrukte abgrenzen. Antideutsche sind keine Linken und Sozialdemokratie ist kein demokratischer Sozialismus. Wir begreifen den Nationalstaat als historisch gewachsenes Verwaltungskonstrukt für die jeweils herrschende Klasse. Der Staat BRD ist ein solches Verwaltungskonstrukt, welches sein ganzes Handeln nach dem und zum Wohlergehen „seiner“ Großkonzerne ausrichtet, welche sich wiederum in der Gewalt einiger weniger Kapitalist*innen befinden. Dieser Staat ist nicht unser Staat und seine Gesetze sind nicht unsere Gesetze. Wir kämpfen für die Errichtung eines sozialistischen Staates, welcher rätedemokratisch organisiert wird und den Übergang für die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaft bildet.

„Die moderne Staatsgewalt ist nur ein Ausschuss, der die gemeinschaftlichen Geschäfte der ganzen Bourgeoisie-Klasse verwaltet.“ – Karl Marx

Der kapitalistische Staat an sich ist eine Gefahr für seine Bewohner*innen und die anderen Völker der Welt, da er in selbstverschuldeten Krisenzeiten von den Kapitalist*innen dazu benutzt wird, autoritär die Interessen des Kapitals umzusetzen. Der autoritäre kapitalistische Staat ist das Kernelement des Faschismus. Er bringt menschenverachtende Elemente wie Rassismus, Anti-Feminismus, Antikommunismus, Krieg usw. selbst hervor und instrumentalisiert diese machtverstärkend. Wir gehen entschieden und grundsätzlich gegen faschistische Barbarei vor! Allzu oft kann beobachtet werden, dass Neoliberale, wie beispielsweise die Grüne Partei, sich die antifaschistische Sache auf die Fahne schreiben, gleichzeitig aber das kapitalistische System beibehalten wollen. Dies ist eine Idiotie, die es zu entlarven gilt, denn „Hinter dem Faschismus steht das Kapital“ ist keine leere Phrase, sondern eine historisch und ökonomisch bestens belegte Tatsache. 

Feminismus

Neben Enteignung der kapitalistischen Klasse und der ökonomischen Emanzipation der ausgebeuteten Klassen, bewegt uns ein viel älterer Kampf als der Kampf gegen das kapitalistische System. Die Rede ist vom Kampf gegen das Patriachat und dessen strukturelle Ausbeutung unterdrückter Geschlechter. In den Parlamenten und Parteien der BRD fehlt revolutionäre feministische Theorie und Praxis, die auf einem Verständnis von Klassenkampf beruht. Politik und weite Teile der Gesellschaft begnügen sich mit einem bürgerlichem Verständnis von Feminismus, welcher lediglich darauf abzielt, privilegierte Frauen im kapitalistischen Arbeitsmarkt zu quotieren. Dieser bürgerliche Feminismus dient nur der Aufrechterhaltung der Klassengesellschaft. 

Heutzutage ist es die Aufgabe und die Pflicht von Revolutionär*innen, die die neue Gesellschaft und den neuen Menschen konstruieren wollen, auch den neuen Mann zu konstruieren. Ziel ist die Befreiung aller unterdrückten Geschlechter. Nur durch diese gesellschaftliche Befreiung aller Geschlechter kann auch der Mann neu geformt werden. Dem Patriachat müssen die Werkzeuge der Unterdrückung entrissen werden, damit es keine Ausbeutung der unterdrückten Geschlechter mehr gibt.

Die Umstrukturierung der Gesellschaft bis hin zur totalen Gleichberechtigung aller Menschen und das Recht auf freiheitliche Auslebung ihrer Selbst in allen Formen ohne festgeschriebene Geschlechterrollen ist der Hauptgrundsatz unserer Theorie. Ein weiteres Ziel ist die Verbesserung und Verfestigung der gesamtgesellschaftlichen Rechte der Frau und aller nicht-männlichen Geschlechter. Um das zu erreichen, braucht es beispielsweise eine Absicherung und Anerkennung der Haus- und Care-Arbeit sowie die reproduktive und sexuelle Selbstbestimmung, um institutionelle Diskriminierungen abzuschaffen. So fördern wir eine revolutionäre und schaffende Gesellschaft. 

Auch das Patriachat ist längst von bürgerlichen und neoliberalen Kräften als gesellschaftliches Thema aufgegriffen worden. Doch während diese das Problem aus eigennützigem Profitinteresse mit Quoten und Regenbogenfahnen für sich instrumentalisieren, packen wir das Problem an der Wurzel an und begegnen dem Patriachat mit Klassenkampf, Selbstreflexion, sowie tagtäglicher Arbeit an uns selbst. 

Für uns steht fest: „Ohne Sozialismus keine Befreiung der Frau und ohne Befreiung der Frau kein Sozialismus.“ – Alexandra Kollontai

Ökologie

Eine der größten Herausforderungen unserer Zeit ist das Aufhalten des Klimawandels. Verursacher des Klimawandels ist die kapitalistische Produktionsweise. Die Menschen, die global am meisten von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen sind, haben am wenigsten zu dieser beigetragen. Wir lehnen die Vorstellung der Eindämmung der Klimakrise durch Anpassung des individuellen Konsumverhaltens ab. Diese Vorstellung ist falsch, reaktionär, klassistisch und exklusiv. In der Realität ist es jedoch so, dass die 100 Konzerne für 70 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind.

Während große Teile der Gesellschaft an die Politik appellieren, dass diese mit Reformen der kommenden Klimakatastrophe etwas entgegensetzen sollen, wollen wir mit Enteignung und Vergesellschaftung der Produktionsmittel die gesamte Produktion aus dem kapitalistischen Dogma des ständigen quantitativen Wachstums befreien. Wir wollen eine Produktion, die für die Bedürfnisse der Menschen und nicht für den Profit von Kapitalist*innen produziert.

Eine demokratisierte Produktion würde viel weniger Müll produzieren und gleichzeitig ein positives (qualitatives) Wachstum ermöglichen. Wachstum wäre nicht mehr quantitativer (Folge: Überproduktion und Müll) sondern qualitativer Art (Folge: Produktion nach Bedürfnissen und höhere Qualität der Produkte, sowie Technologiewachstum). Im Kapitalismus wird Ausbeutung zur Kapitalakkumulation genutzt. Neben der Arbeitskraft von Menschen zählen zu ausgebeuteten Gütern die Leistungen der Ökosysteme der Erde, die dem Zweck des Profits dienen.

Diese Produktivkräfte der Ökosysteme und fossiler Ressourcen werden im Kapitalismus weit über Belastungsgrenzen ihrer Regenerationskraft hinaus genutzt (Steffen et al., 2015), sind jedoch die Grundlage allen Lebens auf der Erde. Konsum über benötigte Produkte hinaus führt zu Altlasten in Dimensionen, die natürliche Systeme langfristig nicht aufnehmen können, deren Resilienz schwächen und Ökodienstleistungen wie sauberes Wasser etc. bedrohen. Die Nutzung verschiedenster Ressourcen ist mit globalen Ausbeutungsverhältnissen auf sozialer Ebene verbunden, z.B. im Bergbau, Fischfang, der Förderung fossiler Energieträger und der Landwirtschaft. Eine nachhaltige Nutzung von natürlichen Ressourcen ist langfristig im Kapitalismus nicht möglich.

Es erfordert einen Wandel des Wirtschaftssystems, die Erhaltung der Gesellschaft, die auf die Funktionen der Ökosysteme angewiesen ist, zu sichern. Unabhängig vom herrschenden Wirtschaftssystem müssen so bald als möglich massive Maßnahmen im Naturschutz und der nachhaltigen Landnutzung ergriffen werden. Bodenschutz, Wasserschutz, Biodiversitätsschutz und Klimaschutz müssen ausgebaut werden und die betroffenen natürlichen Systeme als Allgemeingut betrachtet werden. Wasser-, Energie- und perspektivisch auch Nahrungsmittelversorgung sollen in öffentliche oder genossenschaftliche Hand gelegt werden.

Privateigentum von Flächen muss beendet werden, um die industrielle Ausbeutung und Übernutzung bewirtschafteter Flächen einzudämmen. Sämtliche bestehenden Agrarsubventionen müssen umgeschichtet werden, um nachhaltige Landnutzung in enger Zusammenarbeit mit dem Naturschutz zu gewährleisten.

Lokale Wertschöpfungsketten der Lebensmittelerzeugung müssen gefördert werden, um Ausbeutung im globalen Süden zu verringern und Klimaauswirkungen zu minimieren.

Für alle Ressourcen muss vorzugsweise eine Kreis- oder Kaskadennutzung etabliert werden. Es muss Solidarität mit der arbeitenden Klasse der Landwirt*innen entstehen. Sie können kein ständiges Wachstum von Erträgen auf ihren Flächen leisten, ohne unter massivem Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln ihre eigene Lebensgrundlage, den Boden, in seiner natürlichen Ertragsfähigkeit zu zerstören.

In der antikapitalistischen Betrachtung von Ökologie und Landnutzung muss eine klare Abgrenzung von völkischen, nationalistischen und antisemitischen Inhalten erfolgen.

Der „Naturschutz“, der in Gruppen „naturnaher und -liebender Menschen“ praktiziert wird, folgt keinen wissenschaftlichen Prinzipien des Naturschutzes, sondern reproduziert konservative Weltbilder und nutzt die emotionale Gebundenheit von Menschen an Landschaft aus, um eigene Ideologien zu verbreiten.

Globales und Frieden

An europäischen weißen Händen klebt Blut. Das Blut von Millionen von Sklav*innen, das Blut von Millionen von Ausgebeuteten, das Blut von durchgeführten Völkermorden im Namen der europäischen „Zivilisation“ auf afrikanischem Boden. 

Doch Kolonialismus und Imperialismus sind kein abgeschlossenes Kapitel der Geschichte, sondern setzen sich in sämtlichen Lebensbereichen fort: Die systemeigene Expansions- und Profitlogik des Kapitalismus führt immer und zwingend zu weiteren Kriegen und täglicher Ausbeutung von Milliarden von Menschen auf allen Erdteilen. Das so weitverbreitete liberale-kapitalistische Märchen einer freien Welt für jede*n ist nichts als eine Lüge! Keine Industrialisierung ohne transatlantischen Sklavenhandel, kein Smartphone ohne Kobalt aus den Minen des Kongo. Es ist kein Zufall das Geflüchtete an den europäischen Außengrenzen sterben müssen, sondern die bittere Konsequenz der Fortsetzung einer barbarischen, rassistischen, europäischen Politik. Zu unserer Aufgabe gehört es, jeden Tag gegen dieses barbarische, rassistische System anzukämpfen. Reißt die Grenzen und Mauern dieser Welt ein! Der Kampf um Befreiung bleibt international!  

Wenn wir Eurozentrismus bekämpfen wollen, ist es die Aufgabe unsere Köpfe und Taten zu „dekolonialisieren“. Nein, nicht Europa steht im Zentrum dieser Welt! Wir sind eine kleine Provinz unter vielen. Nehmen wir uns die Zapatisten, die Rojavaren, die mutigen Burkinabé dieser Welt zum Vorbild. Diese zeigen uns: Weltweite Revolutionen sind keine ferne Utopie, sondern sie sind weltweit jeden Tag gelebte Realität. Das Lokale und Globale schließen sich nicht aus. Im Gegenteil! Globale gemeinsame Kämpfe können nur auf lokaler Ebene gekämpft werden. Der Kampf für eine gerechte und friedliche Welt fängt vor der eigenen Haustür an!  

„Hoch die internationale Solidarität“ ist für uns keine leere Phrase, sondern tägliche Handlungsleitung und Aufgabe. Der Kapitalismus ist dabei der größte Feind für ein solidarisches und friedliches Miteinander auf der Welt. Antikapitalistischer Kampf ist immer global! Rot Front!